Gedanken zum 1. Sonntag nach Trinitatis

Paar auf der Bank
Foto: Lehmann

Apostelgeschichte, Kapitel 4: (32) Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. (33) Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen. (34) Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte (35) und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte. (36) Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, (37) der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.
Lautet der Predigttext für den 1. Sonntag nach Trinitatis.

Sicher erinnern Sie sich, wie Sie diesen Rausch der Gefühle selbst erlebt haben. Zu zweit. Auf einer Bank.
Mit der Zeit –wenn die erste Verliebtheit etwas nach lässt –entdeckt „Mann“ und „Frau“, dass man nicht immer nur „ein Herz und eine Seele“ ist, sondern dass der andere tatsächlich doch einen eigenen Kopf und einen eigenen Willen besitzt. In unserem Predigttext heute ist noch „alles gut“: alle lieben sich; es gilt: was Mein ist, ist auch Dein; alle sind voll von Kraft und Gnade und die Menge der Gläubigen ist „ein Herz und eine Seele“ durch den heiligen Geist. Nicht nur in der Paarbeziehung gibt es diesen Zauber, der allem Anfang innewohnt. Direkt nach Pfingsten, nach der Geistausschüttung, ist die Gemeinde in Jerusalem im Hochgefühl der Nächstenliebe.
„Jaja, es geht nur bis Kapitel 4 gut“, wird vielleicht mancher denken, der in der Apostelgeschichte belesen ist. In Kapitel 5 fängt der Erste an zu betrügen, der Hananias, und als ihn der Apostel Petrus zur Rede stellt, fällt er tot um. Wäre doch schön, wenn wir so als Gemeinde wie oben beschrieben leben könnten. Allen gehört alles. Jeder ist versorgt. Doch –Hand aufs Herz –es ist utopisch, das ist das Ideal des Kommunismus. Der größte Teil der hier Sitzenden durfte viele Jahre seines Lebens Teil dieses kommunistischen Sozial-Experimentes gewesen sein. Wie weltfremd, wenn wir es versuchen würden, wenn jeder von uns das persönliche Vermögen unserer Kirchengemeinde übertrüge. Aber: Wir sind ja nicht neben uns, nicht von Sinnen, nicht benebelt durch Verliebtheit wie das oben beschriebene Paar! 

Was macht dieser Bibeltext mit Ihnen? Schauen Sie noch einmal, wie es mit dem eingangs erwähnten Liebespaar weiter geht. Sie sind inzwischen zusammengezogen. Dabei waren sie nicht immer „ein Herz und eine Seele“. Die Zeit der Verliebtheit ist vorbei. Aber sie haben es geschafft, aus dieser Zeit die „positive Bezogenheit auf einander“ mitzunehmen, die Anziehung, die Wahrnehmung dessen, was sie am anderen schätzen. Daneben gelingt es ihnen auch, die Unterschiede anzusprechen und dem Anderen Freiräume zu geben. Aus der Verliebtheit wurde Liebe, Liebe die beide trägt, die aber auch beide mittragen, indem sie den anderen zu verstehen versuchen und ihm auch vergeben.
Aus diesem Bild zurückkehrend, stellt sich die Frage: Wie hat sich bis heute, insbesondere in den letzten 30 Jahren, die „Beziehung der Glieder unserer Gemeinde zueinander“ entwickelt? Leben Sie als Gemeindeglieder diese „Bezogenheit auf einander“? Das ist eine heikle Frage in unserer Zeit, die durch Individualismus und Leistungszwang geprägt ist.
Ja, Sie sind noch da, die Kraft und die Gnade des Geistes. Der Geist Gottes ist da, damals unter den ersten Christengemeinden wie heute hier und jetzt unter uns. Die Christen in der Urgemeinde in Jerusalem und auch wir heute müssen immer wieder neu in unserem Alltag ausprobieren, wie es ist, aufeinander bezogen zu denken und zu handeln. Weniger „ich“ führt zu mehr „Du“ und mehr „Du“ führt zu mehr „Wir“, zu mehr Gemeinschaft. 

in Beispiel raus aus der Selbstbezogenheit zu kommen, gibt der Predigttext mit Barnabas. Er gibt von sich den anderen –und nicht wenig. Er nimmt das Seine in die Hand und gibt es aus der Hand, er lässt es los. Der Spender des Geldes hat keine Angst –weder selbst einmal mittellos zu sein, noch zu kurz zu kommen, noch Ansehen zu verlieren oder Macht, was mit dem Besitz des Geldes immer verbunden ist.
Dazu will ich Ihnen einen Gedanken mitgeben, der für mich nach manchem erlittenen Missgeschick und Schmerz zur Gewissheit geworden ist: Alles, was wir haben, was uns geschenkt wurde, was wir erarbeitet haben und auch das, was uns durch glückliche Umstände zugefallen ist, alles das hat uns Gott zur Verwahrung anvertraut. Es liegt an uns, wie wir damit umgehen, wie wir als Glaubende den richtigen Umgang mit dem uns anvertrauten Gut finden. Jeder einzeln – und dabei auch im Blick auf die anderen. Denn nicht nur die materiellen Mittel, sondern auch wir Menschen sind uns aneinander anvertraut. Gott macht es uns nicht einfach. Er gibt uns nicht konkret vor, wie wir richtig handeln, er lässt uns frei entscheiden, wir sind freie Christenmenschen.
Aber um in der Abwägung richtig zu entscheiden, ist seit Pfingsten Einer unter uns, ein Helfer! Er, unser Gott schickt uns seinen Geist, der in uns wohnen soll. Eine Aufgabe des Geistes ist es uns zu führen und zu ermahnen, mit den materiellen Werten, die uns anvertraut sind nicht fahrlässig umzugehen. Und eine noch wichtigere Aufgabe hat er: Er soll uns lehren mit den Menschen, die uns umgeben, die uns anvertraut und unsere Nächsten sind, sorgsam und verständnisvoll umzugehen. 

Gott hat uns so Vieles und so Viele anvertraut. Dafür können wir nicht dankbar genug sein.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich!
Prädikant Cornelius Neumann

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